Wenn man 40 Stunden die Woche damit verbringt, zwischen einer genau aufgeteilten Sektion von Tischen hin und her zu rennen, bildet man so etwas wie eine soziale Blase um sein Fleckchen „Workspace“. Menschen, die immer wiederkehren; zu denen man eine wie auch immer geartete Beziehung aufbaut. Diese fünf Charaktere sind mir in den letzten fünf Wochen besonders ins Auge gestochen:
The Salesman
Er kommt nur freitags. Mit blendend weißem Lächeln offeriert er gebrannte DVDs aller Genre. Geübt öffnet er sein Köfferchen ohne dabei Getränke und Essen von den Tischen zu fegen und plaudert. Manchmal fünf, manchmal zehn Minuten. Immer gerade so lang, dass das Essen genießbar warm bleibt und die Gäste trotzdem Trinkgeld geben. Der Kaufmann pflegt sein Image. Frei nach dem Motto: überzeugendes Auftreten bei völliger Überflüssigkeit.
Der Minnesänger
Jeden Tag dasselbe Lied!!! Seit verdammt noch mal zehn langen Jahren spielt er auf seiner Gitarre jeden Tag ein und dieselbe Melodie!!! Hab einen Kollegen gefragt, der das seitdem jeden Tag erträgt. Ich hör das „ba dam ba dam badambadam“ Gott sei Dank nur vier Abende die Woche. Aber das reicht, um in Tagträumen zu versinken, in denen ich dem alten Mann in seinen Hochwasserhosen mit seiner eigenen Gitarre den Hintern versohle.
Die Diva
Sie trägt bunte Fummel und enge weiße Jeans. Das Make-up sitzt und vertuscht die 53, die sie mindestens auf dem Buckel hat. Ihr blondiertes Latina-Haar sitzt perfekt und wenn sie läuft klackern ihre Absätze im Takt zum Rasseln ihrer riesigen Ohrringe. Sie hat Stil. Irgendwie. Leider ist sie permanent hackedicht und schreit jeden an, der ihr nicht innerhalb von zwei Minuten keinen Drink bringt, der aussieht wie ein mit Schlagsahne garnierter Genversuch. Ich mag sie. Kann aber auch daran liegen, dass ich nie das Vergnügen hatte, sie bedienen zu müssen.
Der Nichtsnutz
Sergio lungert rum. Meistens am Spätnachmittag kommt er im Restaurant vorbei, begrüßt jede Kellnerin mit Wangenkuss und „Hola hermosa!“, will ein Glas Wasser und fängt dann an irgendwas auf Spanisch zu rappen. Dann geht er wieder. Er nennt sich John Fuss und auf die Frage, was er denn eigentlich so macht, sagt er: Er sei die neue Generation der Nichtsmacher. Aber er will mal zur Polizei. Immerhin ein anständiger Plan für seine 19 Jahre.
Das ES
Einen Cortado (Espresso mit einem Schuss Milch) ein Medialuna und danach eine Sprite und so sitzt er (bzw. sie) dann den ganzen Abend. Er (bzw. sie) ist ein Klotz von einer Person, trägt am liebsten lila Tanktops und einen fliederfarbenen Lei um den Hals. Er (bzw. sie) hat exakt die gleiche Frisur wie Javier Bardem in „No Country for old men“ und wenn es dann mal so elf ist, packt er sein Schminkköfferchen aus und zieht den Lipgloss nach. Und dann geht’s auf die Piste. Der ersten Abend als ich ihn (bzw. sie) im Minirock davon stapfen sah, war ich noch irritiert. Mittlerweile hab ich mich an den Anblick gewöhnt.