Ich hab mir so ein Arbeitsvisum irgendwie anders vorgestellt. Eher so wie das deutsche Wort in den Ohren von Fremdsprachlern klingt: formell, bürokratisch und vor allem als Druck-Erzeugnis auf 120g-Papier. Ach was sag ich! Auf handgeschöpftem Büttenpapier, an dessen Rändern die Zellulose fasert!
Vor mir sah ich einen greisen Mann in einem hohen Raum, englischer Kolonialstil mit dunklen Regalen und einem von den vielen Audienzen durchgelatschen Perser-Teppich. Vor ihm ein massiver Schreibtisch aus Tropenholz, dessen Schubladen knarzen, wenn er sie aufzieht, um seinen Pfeifentabak herauszuholen. Durch einen Spalt zwischen den schweren, samtenen Vorhängen fällt milchig das Licht eines späten Frühsommernachmittags.
Der Alte sitzt gebeugt an seinem Schreibtisch, das Monokel ans Auge geklemmt. Er taucht seine Pfauenfeder in das Tintenfass und räuspert sich. Konzentration. Bedacht gleiten seine schmalen, fleckigen Hände über das teure Papier und zeichnen in Frakturen die Worte „Working Permit for Pia Roeder“. Er zieht an seiner Pfeife, während die Schrift trocknet und die Tintenpfützen langsam in das Papier einsickern.
Der Siegellack dampft, als er den Stempel auf den Umschlag drückt: „Government of New Zealand“ mit einem kleinen, dicken Kiwi im Emblem. Er läutet dem Boten.
Ein pickliger 16-Jähriger in einem zu großen, abgewetzten Anzug huscht hinein. Mit einem kurzen Nicken nimmt er das Schriftstück an sich, zieht die massive Tür hinter sich zu und mein Visum macht sich wenige Tage später im Bauch eines rußenden Überseedampfers auf den Weg zu mir. So hab ich mir das vorgestellt. Stattdessen bekomme ich das hier per Mail.
Ich bin doch ein bisschen enttäuscht. Über die Darbietungsform. Dennoch: YAAAAAAY!
Bild: www.workandtravelmag.com