Was hab ich damals gefeixt. Meinen halben Abiturjahrgang hab ich belächelt, weil den Herren und Damen nichts besseres eingefallen ist, als Lehramt zu studieren. Aus der Schule, in die Schule – wie fad.
Jetzt dauert meine Lehrerkarriere schon drei Wochen und ich muss sagen: Macht durchaus Freude. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nur vier Stunden die Woche gebe und keine pubertierenden Hormonschleudern unterrichte, sondern Erwachsene, die gutes Geld bezahlen, um mein Wissen über die Deutsche Sprache einzusaugen.
Dabei weiß ich eigentlich nix. Also natürlich weiß ich schon alles, aber ich weiß nicht, dass ich es weiß, oder hab vergessen, dass ich es mal wusste und lerne jetzt noch mal, was ich schon kann. Oder so.
Ich wusste zum Beispiel natürlich schon, habe aber wieder vergessen, dass man das Perfekt von Tätigkeitsverben (sehen, kochen, trinken etc.) immer mit „haben“ bildet. Dafür aber Verben der Bewegung (kommen, fahren, bleiben etc.) und der Veränderung (werden, sein, sterben) immer mit „sein“ . Also quasi: Ich habe gesehen, dass er gestorben ist. Oder weniger makaber: Ich habe gekocht als du gekommen bist.
Oh, oder in der letzten Stunde gelernt: Das Partizip von Verben, die auf -ieren enden, bildet man immer mit -t am Ende. Ich bin fasziniert. Seht ihr. Toll. Und wusstet ihr, dass es zu Wolke und Wind kein Verb gibt? Also weder „wolken“, noch „winden“. „Stürmen“ gibt’s indes. Obwohl ich meine, winden im Sinne von stürmen schonmal in einem Gedicht gelesen zu haben. Es windet gar sehr. Egal.
Ich darf natürlich nicht zugeben, dass ich seit gut 15 Jahren nicht mehr über die Deutsche Grammatik nachgedacht habe. Wäre peinlich. Ähnlich peinlich wie dieses fiese Ploppgeräusch, das man hört, wenn man im Sommer mit dem Hintern an einem Plastikstuhl festklebt und dann aufsteht, um was an die Tafel zu schreiben. Das ist mir natürlich nicht passiert. Passiert… passieren… hach toll.
Hier bitte nach Belieben ein geistreiches Zitat und Lobpreisungen zur Deutschen Sprache einfügen.
4 comments
Ja, immer ein Kapitel weiter sein als seine Schüler ist ein guter Ansatz. Und selbst wenn nicht, kann man ja immer noch perfekt deutsch – auch/nur ohne Regeln.
Vielleicht bietest Du noch reine Konversation an, da kommt man dann eher ohne Grammatik aus. 😀
„Ich habe gekocht als du gekommen bist.“
Na, das wird ja so ne Sauce gewesen sein…
@ Gosch:
Welches Hilfsverb man im Perfekt benutzt, ist aber innerhalb Deutschlands regional unterschiedlich. Da Dein Heimatdorf gerade noch in Hessen, aber an der Grenze zu Franken liegt, weißt Du das sicherlich. In Franken sagt man „ich bin gesessen“ (im Dialekt eigentlich „gesozen“), in Südhessen „ich habe gesessen“.
Das ist aber nicht so wichtig, da Du ja sicherlich nur Schriftdeutsch unterrichtest und nicht regionale Dialekte.
@ Marc: „perfekt deutsch – auch / nur ohne Regeln“
Ja, so ist das mit den Muttersprachlern. Mein südamerikanischer Arbeitskollege sagte mal zu mir, als ich mit ihm eine Diskussion über merkwürdige Konstrukte der spanischen Grammatik anfing und er nicht wusste, wovon ich spreche: „You actually learned the rules of the language!“
@coldeye: hör ma auf mit regionaltypischem dialekt! ich bin froh, wenn die am anfang der stunde die zähne auseinander kriegen und mir in 2 einfachen sätzen erzählen können, was sie seit heute morgen gemacht haben. und wusste gar nicht, dass du spanisch sprichst!