Eins vorweg: Das, was heute in Stuttgart passiert ist, ist furchtbar und mir tun die Eltern der Schüler und alle Angehörigen sehr leid. Entsetzlich.
Aber ich seh das leider ein bisschen pragmatischer. Als ich nämlich heute Vormittag gerade das Bild eines Frankfurters photoshoppte damit seine Grübchen in der Bilderstrecke noch ein bisschen niedlicher aussehen, erreichte mich folgende Mail einer guten Freundin, die zur Zeit bei einer größeren deutschen Tageszeitung weilt: „Scheiß Amoklauf!! Hier brennt die Hütte und ich krieg keinen ans Telefon! F*ck!!!“ Mein erster Gedanke: „Amoklauf?“ Blick in den Ticker, dann mein zweiter Gedanke: „Gnaaaah verdammt! Wie gern wär ich dabei!!!“ Also nicht bei dem Amoklauf in Stuttgart, aber bei einem der kleinen Amokläufe, die just in dieser Sekunde in allen großen Redaktionen der Repubik stattgefunden haben.
Redakteure schreien sich Komandos zu, Chroniken jagen durch den Ticker und Praktikanten werden zu den obligatorischen Rückblicken verdonnert. Fotoredakteure stellen Kaffeetassen in die Ecke und photoshoppen sich reihenweise Sehnenscheidenentzündungen. Menschen rennen sich über den Haufen. Witwenschüttler rufen sofort bei den Eltern der Schüler an. Sensibilität ist schließlich was für Pussys. Alles schreit. telefoniert, tippt, tickert. Köpfe rauchen. Alles muss schnell fertig werden. Am besten bis gestern. IRGENDWIE MÜSSEN WIR SCHNELLER SEIN ALS SPON!!! Gott, hat das immer einen Spaß gemacht. Endlich war was los. So pervers es klingt, aber ja: Bad news are good news und ich war viel zu gern Teil dieses Wahnsinns, als das ich jetzt nicht mit einer gewissen Melancholie an die Zeit in Hamburg zurück denke. Nicht an die in München. Da gehts wirklich ein bisschen gesitteter zu. Nein, die die damals dabei waren, wissen von was ich spreche. Und tut nicht so, als hätte es euch keine Laune gemacht, wenn die Hütte gebrannt hat!
In Gedanken war ich dabei… während ich den nächsten Frankfurter für die Fotostrecke aufhübschte. Ach man.
19 comments
Das beste Bild, übrigens, was ich zu dieser schockierenden Tat finden konnte, war dieses:
http://edition.cnn.com/2009/WORLD/europe/03/11/germany.school.shooting/index.html?#cnnSTCPhoto
(Bild Nr. 3)
Fiuuu… großartig. Und ich dachte schon, ich bin ein unsensibles Arschloch.
… und ich finde Deinen Text erschreckend.
Klar will „die“ Leserschaft mit aufregenden Artikeln, Hintergundberichten, Livebildern etc. etc. beliefert werden… und die Journalie bedient ja einfach nur die Nachfrage… das sichert das Einkommen – darf man hier nach der Moral fragen?
Ich brauch keine Detailberichte, keine unsinnigen Recherchen wann wie oft wieviel Amokläufe abgehalten wurden. Ich brauch keine Bilder von Kindern die sich in irgendeinem Schulzimmer aufhalten, oder Polizeiabsperrungen oder von Blutlachen. Wofür? Wo ist da der Informationsgehalt?
Wenn man versucht sich vorzustellen, wie man sich als Betroffener wohl fühlen würde und dann Deinen Text „Bad news are Good news“ liest – da kann einem schon etwas übel werden.
@ MaXX
naja, du willst das nicht. du musst es nicht lesen, und dich auch nicht dazu äußern.
wenn du das aber tust, bist du moralisch in derselben kloake wie die „jugendpädagogen“ die aus ihrem elfenbeinturm auf counterstrike verweisen. oder die politiker, die selbst so weit von allem weg sind, das sie nur noch anrufbeantworter-texte ableiern. oder eben wie die üblichen hobby-medienkritiker, deren verletzter stolz zu solchen zeiten immer gut zu einer hauptsächlich polemisch-haltlosen medienkritik reicht, aber nicht dazu, etwas zu ändern. meckern ist einfach, wenn du keine lösung hast und das der voyeurismus sich nicht nur im gaffer an der unfallstelle äußert, sondern auch moralapostel avon befallen sind, das ist jedem klar, der nicht nur auf veralteter moralischer ebene diskutiert und sich mit dem jetzt und nicht mit dem damals beschäftigt.
der informationsgehalt ist ganz einfach: leid unterhält. nicht weil medien so sind, sondern weil menschen so sind. der gipfel des menschlichen humors ist die schadenfreude, der natürliche zustand des menschen ist der des gaffens und die menschlichste aller ausdrucksweisen ist das meckern.
sorry, wenn sich das hart anhört, aber deine kritikpunkte sind auf dem niveau des stammtischs angekommen, und überholt und nicht mehr haltbar. niemand zwingt dich.
und jetzt nimm deinen teddy und geh spielen!
@MaXX
Natürlich ist mein Text erschreckend! Hats du ganz richtig erkannt. Ich bin selbst erschrocken, akls ich ihn gestern nach Feierabend getippt habe. Die Tatsache, dass ich erst an den Stress in der
Redaktion gedacht habe, anstatt an das Leid der Menschen dort, zeigt wie komplett durchgedreht diese scheiß Medienwelt ist. Und wie sie einen selbst, wenn man einmal drin steckt, komplett verrohen lässt.
Und natürlich ist die zehnte Fotoshow und die das dritte Täterprofil auf fünf verschiedenen News-Sites irgendwann redundant
und völlig unnötig. Aber hey: That’s business. So wird Geld gemacht. Frag mal wie erst die Jungs vom Focus drauf sein müssen, die gleich n Twitter-Account namens „Amoklauf“ eröffnet haben. Ist naiv zu glauben, dass es da in erster Linie mit Mitgefühl zugeht.
Aber ganz ehrlich: Sobald was passiert, ist was los und dieses eintönige Geticker hört auf. Man steckt mitten im Geschehen und ist Teil einer großen Maschinerie. Und das ist (so blöd es klingt) cooler als Grübchen von unwichtigen Menschen noch süßer zu machen.
@ Bela
„veraltete Moral“???
Mal ganz davon abgesehen, dass Du unsachlich bist, empfinde ich Deine Art zu schreiben als „Stammtisch Dampfplauderei“.
Argumente? – sind nur rudimentär vorhanden.
Und von mir nach einer Lösung zur Arbeitsweise der Medien zu fragen ist eine ganz nette Tour, hat aber nur bedingt mit meinem Kommentar zum Eintrag von Pia zu tun, oder?
Wieso sollte ich mich nicht dazu äußern dürfen?
Dein Geschreibsel wirkt auf mich nicht plausibel. Oder hast Du irgendwelche Schadenfreude im Zusammenhang mit dem Amoklauf von gestern erlebt?
@maxx:
„Ich brauch keine Detailberichte, keine unsinnigen Recherchen wann wie oft wieviel Amokläufe abgehalten wurden. Ich brauch keine Bilder von Kindern die sich in irgendeinem Schulzimmer aufhalten, oder Polizeiabsperrungen oder von Blutlachen.“
– bist ein löblicher ausnahmefall, die große meute will blut, leid, tod und ekel. die medien bedienen’s und da gibt’s keine guten oder schlechten, da stecken „spiegel“ wie „bild“ gleichermaßen mit drin (nur in jeweils noch anderer ausprägung). das nennt sich „medienbetrieb“ und der funktioniert nach nachrichtenwerten. aus der geschichtsstunde: schau dir die bedeutung der zeitung im zuge der jack the ripper-morde an und die stellst fest, dass es nicht erst mit dem bösen internet oder der bösen boulevardisierung so geworden ist.
derartige inhalte ziehen schon immer und die menschen, die sie texten, bebildern oder filmen tun zunächst ihren job. das sie abseits dessen noch menschen sind und entsprechend über empathie verfügen, sollte man ihnen deshalb nicht gleich absprechen. was pia beschrieben hat ist nur die faszination über einen hektischen tag, mehr nicht. vielleicht gerade deshalb, weil die üblicherweise selten und unser beruf trotz allem romantischen blabla vom schreiben schöner geschichten und großer stories meist doch sehr überschaubar ist. also füsse still halten, alles halb so wild.
@ MaXX
“veraltete moral”???
– natürlich. du argumentierst – wie schon von v. schön angeführt – aus der illusion einer medienfreien umgebung. die öffentlichkeit, auf die du dich als teil beziehst, ist – insbesondere mit auswüchsen – nur durch die medien möglich.
„dass du unsachlich bist“
joa, unsachlicher als jemand, der sich vorstellt, wie es wäre, anhand von berichten dritter, die nicht dabei waren und es nur aus dem ticker bekommen haben, bei nicht vorstellbaren weil aussererfahrungsmäßigen situationen betroffen zu sein. klingelts?
„argumente“
wer braucht argumente? du argumentierst aus einem selbstreferentiellen, wirklichkeitsfremdem realitätsvakuum, das sich aus seiner rudimentären meinungssingularität nicht argumentieren lässt.
deine aussage ist: so solls nicht sein, ich find das schlimm, das muss anders werden, weil es mir (!) so nicht gefällt.
„nach einer lösung zur arbeitsweise der medien zu fragen…“
… ist nun mal die arbeitsweise echter kritik – denn nur meckern und nicht lösen gibts nur im sandkasten oder der oppositionspolitik.
„dein geschreibsel wirkt auf mich nicht plausibel“
ja, wenn es auf dich nicht wirkt, dann muss es mein fehler sein 😉
„du irgendwelche schadenfreude im zusammenhang mit dem amoklauf “
nö, aber ich bin weit entfernt vom schock. oder isses was besonderers, nur weil es an einer deutschen schule passiert ist? schon mal überlegt, wie viel der letzte inszenierte bürgerkrieg in afrika an kinderleben gekostet hat? ich weiss, jetzt kommt „ja, das ist ja auch schlimm, aber das war näher“ – und darauf werde ich antworten „afrikaner sind also menschen zweiter klasse, und du wirst es dann auf die schiene drehen wollen, das man sich ja nicht um alles kümmern kann, und nicht immer betroffen sein kann. dann werde ich sagen, dass, wenn man nicht alles schafft, wenigsten nicht heuchlerisch ein paar einzelfälle rauspicken soll. und dann sind wir wieder am anfang: stell dich nicht so an, so isses nun mal.
@ saripari
Das Bild ist echt Hart. Kudos!
@v.
merci vielmals. intention erkannt 😉
leider is der job meistens wirklich kotzfad.
@pia: no prob 🙂 zu den großen vorurteilen gegenüber unserem berufsstande gehört es doch, dass man denkt, das wäre freiheit und abenteuer satt. dass der großteil knochentrockener nachritenjournalismus ist, der per computer und telefon erledigt wird und eben nicht mit der kamera im kriegsgebiet liegend, ist scheinbar noch nicht so weit verbreitet. aber man darf ja träumen, irgendwo schlummert ja immer ein kleiner tyler durden..
@bela: fass den bub‘ nicht so hart an, du unsachlicher, veralteter moralist 😛
@bela
Du kannst einfach klasse Schreiben – und /oder Selbst darstellen,
Kasperkopp!
=)
@
Bela
Einmal muss ich nochmal meinen Senf dazu geben.
Vielleicht war Moral nicht das optimale Wort – Verantwortungsbewusstsein fiele mir ein – hätte dann aber nichts mit dem Ausgangstext von Pia zu tun.
Davon ab, sorry dass ich zu plööd bin, aber Moral in einer mediendurchseuchten Umgebung entfallen muss, könntest du sicher erklären aber… brauchste nicht!
Mein Teddy ruft
😉
Die Medien sind halt die Hure der Massen. Berichten alles bis ins ekelhafteste Detail wenns „more cash“ bedeutet. Business halt ne 😉
Im Endeffekt Schuld an der detaillierten Berichterstattung ist die stets gaffende Masse die sich nach Berichten voll Elend und Leid sehnt. Dann erscheint die eigene mehr als bescheidene Existenz doch gleich in einem strahlenderen Licht wenn man sieht wie schlecht es anderen geht.
Wer gegen diese reißerische Berichterstattung der Profitgeier ist nimmt einfach die Meldung wahr und beschert den einschlägigen Seiten dann keine weiteren Klicks auf ihre neue Top-Story.
Auch wenn der Film an sich Scheiße war, „Untraceable“ greift dieses Thema in gewisser Weise auf.
woah, ist das ekelhaft (sorry).
@ kat
Nö.Das ist einfach nur Tagesgeschäft. Das, was schon den ganzen Tag in den Blogs und auf Twitter abgeht, ist ekelhaft.
kann schon sein, dass das einen adrenalinschub gibt. ekelhaft ist die „wer-ist-erster-menatalität“. da bleibt dann so manches auf der strecke.