Belgrad: km 1380

Bunt wie Konfetti. Rote Punkte, weiße Fetzen, grüne Streifen. Aufgehäuft zu einem Berg, geschäftig wie ein Ameisenhaufen. Fast einen Hektar groß. Die Konturen werden schärfer je mehr man sich Belgrad nähert. Aus den roten Punkten werden Cola-Dosen, aus den weißen Fetzen Plastiktüten und aus den grünen Streifen leere Weinflaschen. Die Ameisen werden zu Menschen, gekleidet in graubraunen Lumpen – Kontrast zum farbenfrohen Müll, in dem sie leben.

Vor den Toren Belgrads wird das erste Mal sichtbar, dass das nicht mehr Westeuropa ist. Nicht mehr die saubere EU, steril wie ein OP-Messer. Dort wo Plastik fein säuberlich von Papier und Weißblech penibel von Buntblech getrennt wird. Belgrad ist Balkan mit all dem Müll und Dreck wie man es sich als klischeebehafteter Westler vorstellt. Zumindest bevor man die Sava, den schmalen Donauzufluss, überquert.

In der Altstadt, gerade auf der Shoppingmeile Knez Mihailova, bemüht sich die serbische Hauptstadt, Haltung zu wahren. Die Häuser frisch verputzt, die Straßen gefegt. Und doch: Alles sieht so aus, als ob man den Dreck nur schnell unter den Teppich gekehrt hat. Der nächste Windstoß wirbelt alles wieder auf. Die öligen Regenpfützen in den Schlaglöchern abseits des Zentrums verraten den Schwindel.

Es passt zur Stadt, das Schmierige und Krustige. Im Bad meines Couchsurfers bin ich von der Dusche zum Waschbecken barfuß auf Klopapierfetzen balanciert. Die hatte ich vorher ausgelegt. Urinfarbene Fliesen kamen mir dann doch ungewöhnlich vor. Aus meinem Rucksack ist am Morgen eine Kakerlake müde Richtung Futter gekrabbelt – in die Küche zu einer offenen Packung Cracker auf dem Boden neben dem Herd. Verfallsdatum: letztes Weihnachten.

Doch Unordnung ist der klebrige Nährboden für Kreativität. Genau das ist es, was mir an Belgrad gefallen hat. Graffiti und Streetart, bunt wie Konfetti an grauen Fassaden.

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