In den 20ern darf man sich getrost ein wenig Gedanken darüber machen wie man sein zukünftiges Leben fristen möchte.
Ist man eher die toughe Karrierefrau, die nichts mehr anmacht als morgens um sechs unter einer eiskalten Dusche zu stehen, um dann einen Flick Flack durchs Zimmer zu machen, um dann beherzt in den Hosenanzug zu springen und eine Stunde später am Schreibtisch zu sitzen. Kaffe schlürft man aus dem stylishen Coffee-to-go Behälter aus Edelstahl, den es irgendwann mal bei Tchibo für 7,99 gab und ständig klingelt das Handy, das Blackberry oder die Sekretärin. Klischeehaft legt man die Füße auf den Schreibtisch und flötet mit süffisantem Lächeln ins Telefon, dass man das Projekt so schon gleich gar nicht aufziehen könne.
Oder steht man eher darauf sich von Hartz IV finanzieren zu lassen, den ganzen Tag im Bett rum zu liegen und sich zu denken, dass Arbeit ja irgendwie doch nicht so das Richtige sei, weil langweilig und zeitraubend. Hatte gestern aus krankheitsbedingten Gründen Gelegenheit mich ein wenig in diese Lebensauffassung einzufühlen. Habe den kompletten Tag in der Koje verbracht und mich von miesem Fernsehprogramm berieseln lassen. War nicht so übel wie man denken mag, aber nichts für ein ganzes Leben. Allein schon deshalb, weil man aus Langeweile mehr essen zu sich nimmt, als nötig.
Sicher es gibt auch ein Mittelding. Fester Angestellten-Job mit geregeltem Einkommen. Arbeit from nine to five. Standard.
Bisher dachte ich dass ich eher Typ eins bin. Immer unter Strom, immer möglichst weit oben und möglichst erfolgreich. Hartz IV ist ein netter Gedanke und da nur 4 Prozent der Empfänger Akademiker sein sollen (Quelle dazu ist mir entfallen. Man glaube mir einfach mal blauäugig), muss man ja irgendwie den Schnitt heben. Aber objektiv betrachtet auch nicht das Wahre.
Meine Ambitionen sind im Moment viel radikaler. Business, Karriere inklusive auf dicke Hose machen (auch ohne Hartz IV bedingte Langweile-Fressorgien) sind nichts für mich wie ich unlängst feststellte und deshalb sympathisiere gerade sehr stark mit bis dato mir unbekannten Gedanken: Mit Ende 20 eine Familie gründen und möglichst weit weg auswandern. Irgendwohin wo es ruhig ist. Haus am See in Kanada oder Skandinavien oder eine Ranch in Argentinien. Hauptsache weit, weit weg. Familie, Hund, lecker kochen, Garten pflegen, Campen, wenns beliebt, ab und zu was Nettes für Magazine schreiben. Jack-Wolfskin-Outdoor-Familien-Romantik. Dabei war ich bisher der festen Überzeugung, niemals heiraten zu wollen oder mich auch nur irgendwie fest zu binden. Geschweige denn Kinder auch nur im Radios von 15 Metern an mich heran zu lassen.
Ist das nun eher die Reife des Alters, Resignation vor dem Beruf, den man dummerweise gewählt hat in dem wahnwitzigen Gedanken, dass es das Richtige sei, oder ist das einfach nur spleenig?!
7 comments
Wieso der Wandel?
Ist ja interessant dass es dir auch so geht. Ich hatte hier in den Staaten vor ein paar Wochen (oder ist es schon Monate her) auch eine ähnliche „Offenbarung“. Kann mir ein Leben auf der karrieremäßigen Überholspur auch nicht mehr so richtig vorstellen, lieber wäre mir das Motto „Arbeiten um zu Leben“, und nicht umgekehrt. Auf jeden Fall hab ich plötzlich auch so Anwandlungen bezüglich Familie und sesshaft werden.
Vielleicht liegts ja daran, dass einem in einer neuen Stadt / Land / Umgebung mal klar wird, was einem wirklich wichtig ist. Bei mir sind es Familie und Freunde, die mir fehlen – und man merkt ja erst, wie wichtig etwas ist, wenn man´s nicht mehr (in unmittelbarer) Nähe hat.
Und manchmal braucht man für solche „Erleuchtungen“ eben einen krankheitsbedingten Hartz IV-Tag. Aber schlaf mal lieber ein paar Tage drüber, bevor du dich Hals über Kopf irgendnem Kerl an den Hals wirfst, Kinder bekommst und in Flanellhemden irgendwo in der Wildnis Windeln wechselst.
Nennt sich „Alter“.
Das Ticken der Biologischen Uhr, der erste Alzheimer (Siehe: Mikrofon-Eingang am Laptop), die Mühlen der Bürokratie und das Leben in der Großstadt zeigen erste Spuren.
ABER: Freu‘ dich auf die nächsten Stadien: verzweifeltes Single-dasein, Alterserscheinungen, die ersten Krankheitssymptome, die Allgemeine Sinnlosigkeit des Lebens, enttäuschte Träume und leere Versprechungen uninteressanter Personen, deren inhaltslose Persönlichkeit dein Leben bestimmt. Wenn ich es mir genau überlege: Nimm den Fön mit in die Badewanne, ab jetzt geht’s abwärts. Nun ist das Ganze nur noch Fleißarbeit und Durchhalten.
REPLY:
nene also irgendein kerl schon mal garnicht. trotz plötzlicher familien-ambitionen will auch das wohl überlegt sein. son bissl anspruch hat man ja dann schon, ne… man mags nicht glauben, aber es stimmt 😉
… würde ich das noch nicht nennen.
Selbst 50, Manager (noch nicht ganz die Karierreleiter „vom ManAger zum VersAger“ erklommen, aber vielleicht kurz davor…?!), gesegnet mit Frau und Kindern, kann ich Dir nur sagen dass Du planen kannst was Du willst, am Ende kommts sowieso gaaanz anders.
Lass Dich überraschen – ich wünsche Dir nur das Beste. Und was das sein wird wirste schon sehen.
Aber bei Deinen Fähigkeiten wird’s wahrscheinlich nicht ganz zu Harz 4 reichen, dafür biste denn doch geistig auch im hohen Alter von Anfang 20 noch zu rege.
:-))
REPLY:
… von solchen Miesmachern nicht mies machen !!!
….sehr treffend! du hast genau das in worte gefasst, was mir seit einigen wochen im kopf herumspukt.