Irgendwann am Wochenende hab ich spätabends im öffentlich Rechtlichen ein historisches Bewegtbild-Dokument über die Wahl 1969 und ’76 gesehen. Herr je was ne Gaudi! Alle tragen graue Anzüge und dicke hornige Brillengestelle, die man gerade heute wieder im verzweifelt hippen Berlin sieht. Die damals haben das aber erst gemeint. Und sie rauchen! Im Fernsehen! Goldene Zeiten.
Woah und was war da fürn Wahlkampf! Also für alle, die den Begriff nicht einordnen können: Im Idealfall vertritt jede Partei Ansichten und Ziele, die sich von den der politischen Gegnern unterscheiden. Diese werden immer, unmittelbar vor einer Wahl verstärkt, mit viel Tamtam und Gekeife öffentlich kundgetan, damit der Bürger weiß woran er ist und sich für eine der Parteien entscheiden kann. Im Fernsehen prügeln sich die Politiker. Konservative Großväter enterben ihre linken Enkel. Wahlbeteiligung bei knapp 85 Prozent.
Heute ist das anders. Die Ziele der Parteien sind die gleichen und den Bürger juckts nicht mehr. Im Internet isses ja auch viel lustiger. Jaja, bla bla.
So wo war ich? Jaaaa Helmut Schmidt is ne coole Sau. Der hat noch den Mund aufgemacht. Was er genau damals losgelassen hat, weiß ich nicht mehr, weil ich während der Sendung im Dämmerschlaf war. Aber aus dem Augenwinkel hab ich gesehen, dass er Kohl rund gemacht hat. Und dieser Wehner! Kennt den noch jemand? War von ’58 bis ’73 war er stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und noch irgendwas. Noch nie was von dem Herrn gehört aber war ne unfassbar lustige Person. Nennt öffentlich den Journalisten, der ihn gerade interviewt, einen Schmierfinken und sagt Dinge wie „Das war Quatsch und ist jetzt noch quätscher“. Sehr großartig.
Eigentlich sollte das jetzt eine Helmut-Schmidt-Wahlempfehlung werden. Ich glaub nämlich, wenn die Hälfte der wahlberechtigten Deutschen statt eine von den faden Parteien Helmut Schmidt wählen, dann macht der noch ne Legislaturperiode. Trotz Rücken und Gürtelrose am Auge. Aber dank dieses Beitrags von v. fühl ich mich jetzt etwas durchschaut. Aber wie immer: Macht doch was ihr wollt.
An die Piraten-Wähler. Mein persönlicher Draht zur droßen deutschen Wirtschaftspresse hat einen lesenwerten Kommentar zum Thema geschrieben.
One comment
Ich werde alt. Wehner und Franz-Josef Strauß (das war der polternde Bayer in den Fernsehrunden) kenne ich auch noch.
Und gestern fragte ich mich auch, wen Peer Steinbrück mit einem Strauß-Zitat („Man darf einem Hund nicht den Wurstvorrat zur Bewachung überlassen“ – von wegen Bänker und Selbstkontrolle) erreichen will, denn der Mann wird am 3. Oktober 21 Jahre tot sein. Den Mauerfall um ein Jahr verpasst, er starb 1988.
Wehner war ein ehemaliger Kommunist, der lange noch in der Bundesrepublik der KPdSU zutraute, ihn nachträglich zu liquidieren, weil er übergelaufen war. Er lebte übrigens noch 1989 beim Mauerfall, war vermutlich aber schon dement.
Mir war bei sehen der alten Bilder (gut, 1976 war ich acht, da hatte ich das nicht gesehen) aber auch aufgefallen, dass die sich ziemlich angegangen sind. Und dann noch die ganzen Unterlagen dabei hatten. Ich will nicht wissen wie da die Sendezeit überzogen wurde.
Auch war der CDU-Slogan um einiges übler: „Freiheit statt Sozialismus“ – und der war ja eine Bedrohung, wenn man nach Osteuropa guckte.