Vor einem halben Jahr, am 21. Februar, hat mir ein netter Zollbeamter in Auckland einen Stempel in den Pass gedrückt und gefragt ob ich „German Wanderschuhe“ im Gepäck habe. Selbstverständlich. Ok, auspacken und checken ob Ausländer-Dreck dran klebt. Den will man hier nicht. Kein Dreck. Gut so. Ich durfte einreisen – mit meinen Schuhen.
Wo ich gerade bin? Genau dort, wo meine Reise begonnen hat: in Auckland. Hier, genauer auf Waiheke Island, habe ich am Strand in Flipflops meine Jetlag ausgeschlafen und mir den ersten Sonnenbrand, seit dem Deutschen Rekordsommer 2003, geholt.
Von der Insel aus ging’s mit einem kurzen Abstecher ins Zentralplateau der Nordinsel nach Blenheim. Zwei Monate, viele Nachtschichten, 2.500 Kilo gepresste Trauben und ein paar ordentliche Schwipse später bin ich aus meinen Gummistiefeln geklettert – ganz stolz, meine erste Weinlese bestritten zu haben und, ja, auch sehr froh, weiterziehen zu können.
Raus aus den Gummistiefel und wieder rein in die Wanderschuhe. Die Auszeit im Nelson Lakes National Park habe ich mir redlich verdient. Keine Menschen, kein Stress. Nur ich und die Gespenster.
An meinem letzten Geburtstag vor der großen Dreinull war ich in Maruia Springs und habe ich dort in Schwefelbäder und Algen eingeweicht. Abends ist mir dann bei einem opulenten Drei-Gänge-Menü fast der Pansen geplatzt. Aber hey, an Geburtstagen darf man das!
Verdientermaßen pleite bin ich in Christchurch aufgeschlagen und hab die Wanderschuhe mit Stahlkappenstiefeln getauscht. An Baustellen habe ich ab sofort aufgepasst, dass ja kein Verkehrshütchen umfällt. Kein Job, der einem intellektuelle Höchstleistungen abverlangt. Es blieb viel viel Zeit zum Lesen. Sogar Anna Karenina von Tolstoi habe ich an den vielen Tagen auf der Straße geschafft. Naja fast.
Christchurch war eine schöne und wichtige Station. Hier habe ich sehr wertvolle Menschen und mich selbst besser kennengelernt. Aber sau kalt war’s!
Musste meinen Füßen wieder warme Luft gönnen und bin drei Wochen lang in Flip Flops durch die staubigen Straßen auf Tongatapu spaziert. Definitiv die Zeit mit den dreckigsten Fußsohlen – nicht zuletzt wegen dem allmorgendlichen Eiersammeln im zugeschissenen Hühnerstall. Habe auf Tonga nämlich zum ersten Mal Wwoofen ausprobiert: arbeiten auf einer Farm gegen Kost und Logis. Super Sache, liebe Menschen, viel gutes Essen und drei Kilo mehr auf den Rippen.
Aber die hab ich mir auf einer Rinderfarm in der Bay of Islands schnell wieder abtrainiert. Also wieder rein in die Gummistiefel und Milchkannen schleppen. Anstrengend aber die Kälbchen sind ja sooooo süß! Endlich mal wieder echte Natur! Nur keine Berührungsängste. Wenn man ein Opossum sieht, einfach drauf losballern und mit der Beute posieren. Französinnen sind taffer als ich.
Und jetzt? Jetzt könnte ich gut und gerne einfach zurück nach Deutschland fliegen. Hab Lust auf eins, zwei Gerippte Äppler, auf Spätsommerabende im Odenwald. Darauf, die Neugeborenen meiner Freunde kennenzulernen. Und auf ausschlafen in der Matratze, die ich selbst eingepupst habe.
Ja, ich bin ein bisschen reisemüde. Vielleicht ist es das böse H-Wort: Heimweh. Nein, ich nenn es Heimatgefühl. Das klingt erwachsener. Jetzt zieh ich endlich mal wieder meine Chucks an. Perfekt für einen Roadtrip im Mietwagen durch den Norden Neuseelands.
Also: Schnürsenkel straff ziehen. Weitergeht’s.