Es ist ein Traum: In der Hängematte an einem lächerlich schönen Strand fläzen, während man für Kunden in Übersee ein bisschen was schreibt, gestaltet und online vermarktet. Zwei Wochen später klingelt die Kasse und das nächste Reiseziel wartet. Danke Globalisierung und Internet! Nein, so ist das ganz und gar nicht. Protokoll zweier ziemlich bescheidener Arbeitstage im mobilen Büro.

Medan/Sumatra, Kilometer 3.500

Tag 1

Mein Flieger hat Verspätung. Eine Stunde oder zwei scheint bei Lion Air nichts Ungewöhnliches zu sein. Es ist Samstagvormittag, ich hab das ganze Wochenende über Zeit zu arbeiten. Kein Grund zur Aufregung.

In Medan angekommen nehme ich den Bus in die Stadt. Der Fahrer weiß angeblich, wo mein Hotel liegt und lässt mich nach etwa einer Stunde Fahrt an einer vierspurigen Schnellstraße raus. Nichts als heißer Staub und zerfetzte Plastiktüten im Wind. Er brüllt irgendwas und deutet auf die andere Straßenseite. Dort sind tatsächlich Häuser und auf einem steht der gleiche Name wie auf meiner Reservierung.

Das Hotel ist super! Modern, sauber (!), eigenes Restaurant, englischsprachiges Personal und nur 12 Dollar pro Nacht. Perfekt! Nur: Das ist nicht mein Hotel. Meine Unterkunft hat den zwar gleichen Namen, liegt aber am anderen Ende der Stadt. Mittlerweile ist es halb vier am Nachmittag und der Puls steigt.

Ein Taxi bringt mich einer arabischen Kitsch-Villa mit Fußböden aus poliertem fleischfarbenem Marmor, Moschee direkt nebenan. Der Rezeptionist betet gerade und ich warte … und warte noch ein Weilchen länger. Meine Uhr tickt wieder europäisch. Ich habe keine Zeit, werde ungeduldig, denke an Deadlines. Mein Fingertippen auf dem Tresen echot in der steinernen Halle.

Der kleine Muselmann spricht keinen Ton englisch, aber er lächelt viel. Das auf der Website angepriesene kostenlose WLAN ist gerade zufällig kaputt. Es sind 34 Grad und ich koche. Aber freundlich lächeln und nicken muss sein. Man ja im Ausland Botschafter für sein Land, und sich als nervige Zicke aufzuführen, kommt nicht gut – weder daheim noch hier.

Mein Zimmer sieht aus wie ein Tatort. Kein Fenster, die rostbraune Tapete rollt sich von den Wänden, ein Sperrholz-Schreibtisch versperrt halb den Durchgang zum Bad. Der Plastikrahmen des Spiegels ist verschmort. Es riecht nach Chlor und kaltem Rauch. Immerhin: Das Bett ist sauber. Ich dusche kalt, packe meinen Laptop ein und mach mich auf die Suche nach einem WLAN-Spot. Es ist 18 Uhr.

Schließlich falle ich in ein Sofa aus geflochtenem Plastik. Der Tisch vor mir ist zu hoch, und ich fühle mich wie eine Fünfjährige, die mit Mama und Papa essen muss. Aber hey: WLAN! Ich bestell einen Kaffee, von dem King Kong einen Herzinfarkt bekommen würde, und beginne zu arbeiten. Die Techno-Bässe, die mit voller Lautstärke aus den Boxen wummern, ignoriere ich. Und so sitze ich auf demselben Fleck, sieben Stunden lang. Mein Rücken schmerzt, als ich aufstehe, den Laptop zuklappe und mich hundemüde zurück in meinen Kerker schleppe. Morgen geht’s weiter.

Tag 2

Der Wecker klingelt um acht, wach war ich bereits um sechs. Danke an den Muezzin. Mein Techno-Café macht erst am Nachmittag auf. Blöd. Also los nach einem anderen „Büro“ mit WLAN suchen. Nach zwei Stunden planlosem Umherwandern spricht mich eine junge Indonesierin an: perfektes Englisch, perfektes Lächeln. Was ich denn suche, fragt sie. Nun ja … Sie führt mich zu einem Uni-Campus ganz in der Nähe, angeblich gibt’s dort offenes WLAN und einen Arbeitsplatz für mich. Juhu!

Stellt sich raus: Ich bin an der wohl einzigen christlich-theologischen Fakultät Indonesiens gelandet. Alle fünf Minuten möchte jemand anderes mit mir über Gott reden. Das Internet ist lähmend langsam, alle singen und beten, und ich möchte ihnen den Hals umdrehen. Das darf man aber nicht als Christ. Und heute bin ich Christ, denn ich nutze christliches Internet.

Die katholische Gemeinde von Medan hält einmal wöchentlich einen Gottesdienst auf Englisch. Den dürfe ich nicht verpassen, sagt die Indonesierin eindringlich strahlend. „Nein, auf keinen Fall“, kreische ich begeistert. Ich entwickle eine manische Depression. Sie geht und 10 Minuten später auch ich.

Nein, ich kann das nicht. Nicht heute.

Das Techno-Café hat offen. Die Bässe wummern. Ich höre nichts. Ich schaue in die Ferne und denke das erste Mal seit Langem an zu Hause.


Und warum das Ganze?

Okay okay, ich hab geschummelt. Ich bin von Bandung nach Medan geflogen. Sumatra ist einfach zu groß, um das auf dem Landweg in nur zwei Wochen, die mir mit meinem Touri-Visa bleiben, zu entdecken. Und die interessanten Orte liegen alle im Norden. Außerdem muss ich arbeiten. Da kommen mir zwei Nächte in der Stadt, von der mancher behauptet, sie tauge höchstens zur Durchreise, ganz recht.

Ja, ich bin wohl ein digitaler Nomade. Ich reise mit meinem Laptop durch die Weltgeschichte und arbeite online für Kunden zu Hause. Ich mag den Begriff nicht. Digitaler Nomade klingt so nach Media-Hipster mit Büro-Phobie. Es klingt nach Berlin. Berlin mag ich auch nicht. Dort tummeln sich gefühlt alle Reise-Hipster, wenn sie nicht gerade mit ihrem ultraleichten Laptop durch Nepal reisen und von dort Websites für Brauereien in Süddeutschland basteln. Ich will gar nicht so sein. Aber ich bin so. Nur ist mein Arbeits- und Lebensstil nicht ganz so entspannt, wie es einem manche Profi-Nomaden weiß machen wollen. Muss da noch ein wenig üben.