„Die Welt ist dir gerade zu viel.“ Er schaut mich ernst an und schiebt den Teller weg. Der Appetit sei ihm vergangen. Das war ich. Sorry. Gibt so Tage. Dann finde ich alle scheiße und nichts gut. Immer dann, wenn ich zu lange da war und schon lange nicht mehr weg.

Wenn mir die Welt zu viel ist, muss ich wohin, wo alles weniger ist. Weniger Menschen, weniger Geräusche, weniger drin, mehr draußen, weniger sitzen, mehr gehen. Berge! Berge sind immer gut. Also flieg ich weg. Dorthin, wo niemand um die Jahreszeit hinwill – nicht im Winter bei Wind und Regen, nicht im Dunkeln. Ich hau ab auf die Färöer Inseln, irgendwo im Nordatlantik, und die große Welt kann mich mal.

Blick vom Gipfel Klakkur auf der Nordinsel Borðoy aus Richtung Südwesten

Begonnen hat alles vor drei Jahren. In der hinterletzten Ecke auf der Frankfurter Buchmesse, Halle Z Stand 746 oder so, hat ein kleiner runder Mann die Inseln beworben. Mit Broschüren in Grasgrün und Meerblau, darin Menschen mit windzerzaustem Haar und lustige Vögel mit bunten Schnäbeln.

Klaksvik, die zweitgrößte Stadt der Färöer Inseln

Genau zwei Jahre und fünf Monate haben die Heftchen auf dem Nachttisch gelegen, vergraben unter allem anderen, was man so vor dem Zubettgehen unbedingt mal lesen will: Artikel vom Juni 2017 über den Einfluss Chinas auf die Wirtschaft Süd-Nigerias, Beipackzettel zu irgendwas längst Abgelaufenem, Gebrauchsanweisungen in schlecht übersetztem Taiwanesisch zu dem verdammten Head-Set, das einfach nicht am Ohr halten will … mitteleuropäischer Quatsch. Dann hab‘ ich aufgeräumt und alles mitsamt den Färöern weggeschmissen. Fahr‘ ja eh nicht hin.

Segelboot-Hafen in der der Hauptstadt Thorshavn.

Jetzt steh ich, halb eingesunken in Torfmatsch, auf einem Flecken Erde namens Streymoy. Vor mir viel Landschaft, hinter mir Wind mit 70 km/h und Graupelschauer. Geil!

Raue Ostküste der Insel Nólsoy.

Ein Schritt vor den anderen und atmen und gucken und staunen. Mehr passiert nicht. Das ist so gewollt.

Leuchtturm an der Südostküste der Insel Nólsoy.

Nach so ein paar Tagen frische Luft ist die Welt gar nicht mehr so apokalyptisch scheiße. Eigentlich ist gerade alles – ich will nicht übertreiben – aber ja … eigentlich ist alles gut.

Blick auf die Nordinsel Kalsoy.

 


Die Wegbeschreibungen in der Färöer-Wanderfibel sind etwas verwirrend, wenn man, wie ich, Infos gerne nur schnell überfliegt, statt sie richtig zu lesen. Aber der Weg ist ja bekanntlich das Ziel.

Nerds und Geeks freuen sich drüber, dass es alle Wegbeschreibungen auch offline als App gibt. Dazu diese Dateien in OruxMaps (für Andriod) oder Maps n Trax (fürs iPhone) öffnen. Ich N00b hab‘ die App nicht wirklich kapiert und bin dann einfach so losgelaufen.

Den besten Kaffee* gibt’s am Bus-Terminal in Thorshavn mit einem leicht malzig-süßen Finish. 20 Kronen kostet das kleine Glück.

Mit Bussen kommt man sehr gut rum, wenn man so absolut gar keine Lust auf Automieten und selbst rumgurken hat. Wenn bei zu starkem Wind keine Busse mehr fahren, kommt man auch per Anhalter heim. Und das sogar recht fix. Wartezeit liegt durchschnittlich bei 57 Sekunden*. Bei der Gelegenheit kann man sich mit zwei Walfischern, die einen aufsammeln, richtig schön über Greenpeace aufregen.

* Entbehrt jeglicher statistischen Grundlage, da ich nur diesen einen Kaffee probiert hab‘, und als Frau auf Inseln mit Männerüberschuss trampt es sich recht unkompliziert.