Ich will Hochseesegeln mal so beschreiben: Stellt Euch vor, jemand bindet Euch ganz nah hinter dem Tornetz auf einem Fußballplatz fest. Dann kommt die Mannschaft und übt Elf-Meter-Schießen. Und das 24 Tage lang, 24 Stunden täglich, alle paar Sekunden volles Holz aufs Tor. Jedes Mal zuckt Ihr zusammen und denkt: „Scheiße, hoffentlich hält das Netz!“ Dabei schüttelt man Euch die ganze Zeit durch, während Ihr versucht, trotz dem Geballere irgendwie zu schlafen. Das ist keine Freude.

Noch im Februar, als die Atlantiküberfahrt auf einem Segelboot noch eine fixe Idee war, hab ich meinen zukünftigen Kapitän gefragt was man denn eigentlich so macht während der ganzen Zeit. Jetzt weiß ich es: essen, schlafen und der Dinge harren. Essen und schlafen kann ich gut, nur Geduld und Müßiggang gehörten noch nie zu meinen großen Stärken. Fang ich das eine an, ist das nächste schon in Planung und das Dritte Vorhaben schon im Hinterkopf. Dann ist es besser, wenn das erste schon lange vorbei ist und ich zum nächsten Programmpunkt übergehen kann. Ich warte einfach nicht gerne. Da ist eine Reise in einem Segelboot, um von A nach B zu kommen, sicher nicht die beste Wahl. Gerade wenn A und B 2700 Meilen weit auseinander liegen und dazwischen einfach nichts außer Wasser, Wind und Wellen ist.

Und damit ist nicht zu spaßen. Wie oft dachte ich ans Aussteigen als sich draußen vier Meter hohe Wellen an der Bordwand gebrochen haben und das Wasser so gegen das Brückendeck schlugt, dass Regale einfach abgeräumt wurden und Gläser Zentimeter in die Höhe hüpften. Aber Aussteigen ist nicht. Man muss einfach durchhalten. Irgendwann hab ich während meinen nächtlichen Wachen nur noch auf das GPS-Gerät gestarrt und die Sekunden und Minuten gezählt, die wir gen Osten vorstießen.

Aber so sind ja nur die schlechten Tage. An den guten konnten wir Delphine beobachten, die immer mal wieder während unserer Reise auf eine Visite vorbei kamen und neugierig um das Boot gesprungen sind. Und die Flauten waren angenehm. Wir sind zwar mangels Wind  tagelang nicht voran gekommen, sind sogar nachts Meilen zurückgetrieben, aber es hat nicht geschaukelt und ich hatte nicht das Gefühl dauernd meinen Mageninhalt loszuwerden. Und ich war schwimmen, wo vielleicht sogar noch nie jemand schwimmen war (Position: N27°23′ W064°58′)

Was ich während der 24 Tage gelernt habe:
– ich bin keine Seefrau
– ich kann nicht rudern
– ansatzweise Wetterkarten lesen
– ein paar Seemannsknoten (aber nur aus einem Blickwinkel. Sobald was verdreht ist, kriegt das mein Kopf schon wieder nicht mehr hin)
– Segel flicken
– ich kann auf See genau so wenig Kuchen backen wie zu Hause unter Normalbedingungen
– auch mit 25 kommt es vor, dass man dank Seegang nicht mehr ohne Probleme eine zweistufige Treppe hochkommt
– Nähen könnte ein neues Hobby werden.
– Nach sieben Tagen ohne Haare waschen, braucht man kein Haarband, um sich einen Zopf zu machen
– und vielleicht das Wichtigste – ich habe zumindest ein wenig gelernt: Umstände, an denen ich nichts ändern kann, einfach hinzunehmen. Und an der Wetterküche auf dem Atlantik kann man einfach in einem winzigen Segelboot garnix ändern.

Was ich indes vorher schon wusste:
Wenn man sich unwohl fühlt und die Möglichkeit hat, was an seiner Situation zu ändern, sollte man das tun.

In dem Sinne: Ich steig hier auf den Azoren aus und nehm den Flieger nach Hause. Wird auch langsam mal wieder Zeit. Man vermisst mich schmerzlich.

Zum ganzen Album auf Flickr

(Fotos: Bernd M. und Johannes Lampel)